17.10.2019

Potenzialentfaltung durch Sport – im Gespräch mit Michell Tripscha

Michell Tripscha ist Sozialunternehmer („Visions Training“), Trainer und Experte für Potenzialentfaltung. Er glaubt daran, dass Sport in Kombination mit Lebensbildung die Kraft hat, das Leben von Menschen zu verändern. Er durfte diese Kombination selbst als Jugendleistungssportler erfahren und erlebt heute immer noch, wie stark sich sein eigener Weg verändert hat und sich über die Zeit immer weitere Perspektiven auftun.

In Kooperation mit den Bündnissen Darmstadt und Mainz bietet er für die Teilnehmenden des Programms „Willkommen im Fußball“ Berufsorientierungskurse an. Das folgende Interview beschreibt die Erfahrungen aus den ersten Berufsorientierungskursen in Darmstadt.

„WIR NUTZEN ALLE MÖGLICHKEITEN, UM MIT UNSEREN TEILNEHMERN ZU KOMMUNIZIEREN.“

Wer sind die jungen Leute, die in Deinen Kurs kommen? Wie werden sie auf Deinen Kurs aufmerksam?

Es sind junge Menschen mit Fluchthintergrund, die sich Orientierung in ihrem Berufsleben wünschen und nach einem Ort suchen, an dem sie so sein können, wie sie sind. Bis jetzt sind die Teilnehmer immer durch die Amateurvereine in den jeweiligen Bündnissen auf das Programm aufmerksam geworden, meistens auch durch Mundpropaganda.

Welche Möglichkeiten bietet der Berufsorientierungskurs den Teilnehmenden, auf ihre verschiedenen Sprachniveaus einzugehen? Welche Relevanz hat das Sprachniveau?

Im Kurs wird nicht nur mit der Sprache gearbeitet. Wir nutzen alle Möglichkeiten, um mit unseren Teilnehmern zu kommunizieren. Das bedeutet „Hände und Füße“, Gegenstände im Raum, Malen an den Flip Charts. Doch das Allerwichtigste ist, dass ich mich als Trainer vor dem Training innerlich ausrichte und ihnen die Kernbotschaft der Kursstunde durch meine Präsenz vermittle. Aber natürlich ist es von Vorteil, wenn ein fortgeschrittenes Sprachniveau vorhanden ist, vor allem weil das auch für die Ausbildung insgesamt sehr große Bedeutung hat.

„DER SPORT IST DER ROTE FADEN UNSERES KURSES.“

Was unterscheidet Deinen Kurs von anderen Angeboten, beispielsweise von der Jugendberufsagentur?

Unser Kurs ist darauf ausgerichtet, dass unsere Teilnehmer zunächst lernen, mit sich selbst umzugehen. Beispielsweise wird am Anfang des Kurses ein „Visions Profil“ für die Teilnehmer erstellt, in dem sie ihre Persönlichkeit besser kennenlernen und ihre Potenziale entfalten. Es ist mir wichtig, dass die Jugendlichen Schritt für Schritt erfahren, wie viel Potenzial in ihnen steckt, sodass sie selbstständig in guten als auch in herausfordernden Zeiten lernen, immer wieder in ihre Kraft zu kommen und verschiedenartigste Situation zu meistern.

Dein Kurs findet im Rahmen von „Willkommen im Fußball“ statt. Welche Rolle spielt der Sport im Kurs? Welche Rolle spielt er insbesondere für die Teilnehmenden?

Der Sport ist der rote Faden unseres Kurses. Wir beginnen mit einem Kick-off, in dem wir Fußball spielen und führen einmal im Monat „Fußball-Führungskompetenz-Trainings“ durch. In diesem Rahmen spielen wir eine abgeänderte Form von Fußball, in der es Regeln gibt, die einen werteorientierten Umgang miteinander fördern. In jedem „Willkommen im Fußball“-Bündnis sind Profiklubs Teil des Bündnisses. In Darmstadt findet der Kurs z.B. direkt am Stadion statt und bei Mainz 05 durften wir in den Räumlichkeiten des Stadions unsere Abschlussfeier durchführen. Wir nutzen auch Heimspiele der Profi-Clubs, um neue Berufe kennenzulernen. Wie gesagt: der Sport ist immer präsent. Sehr häufig sind viele unserer Teilnehmer sportbegeistert. Das bedeutet, dass wir mit dem Sport und mit allem, was einen Bezug dazu hat, die Sprache der Jugendlichen sprechen und sie damit viel einfacher erreichen.

Welche Institutionen oder Organisationen bieten sich bei der Umsetzung solch eines Kurses als geeignete Kooperationspartner an?

Neben den Profi- und Amateurvereinen zählen Stiftungen, Jugendhilfeträger und kommunale Akteure zu dem Netzwerk der „Willkommen im Fußball“-Bündnisse. Außerdem unterstützen Unternehmen, die z.B. zum Sponsorennetzwerk der Profi-Clubs gehören, die Bündnisse, indem sie ihre Türen für uns öffnen und uns hinter die Kulissen blicken lassen. Es ist für alle Beteiligten immer wieder interessant zu sehen, welche Menschen, Abläufe und Arbeitsprozesse hinter den jeweiligen Unternehmen stehen. Zusätzlich ist es meines Erachtens von großer Wichtigkeit, mit den verschiedenen Institutionen der Stadt vernetzt zu sein, die in der Jugendarbeit tätig sind. Gerade wenn wir vor Kursbeginn den Kontakt zu den Jugendlichen suchen und sie für die Kurse begeistern möchten, sehen wir in den städtischen Institutionen einen hervorragenden Anlaufpunkt.

Der erste Berufsorientierungskurs in Darmstadt endete im November 2018. Der zweite Kurs endete im Juli 2019. Weißt Du, was aus deinen Teilnehmenden wurde? Gibt es eine Begleitung nach dem Kurs?

Wir bieten den Teilnehmern an zwei Terminen nach dem Kurs eine Unterstützung an. Normalerweise läuft die Begleitung so, dass wir uns gegenseitig einfach anrufen oder schreiben, wenn es Bedarf gibt. Der Kurs ist so ausgerichtet, dass sich die Jugendlichen nach dem Ende des Kurses selbstständig am Arbeitsmarkt orientieren können. Es ist mir immer wichtig den Jugendlichen zu sagen, dass wir keine Vermittlungsstelle sind, sondern ein Kurs, um sie zu bekräftigen, sowohl ihren beruflichen als auch persönlichen Weg mit Klarheit, Kraft und Vertrauen zu gehen. Natürlich freut es uns umso mehr, wenn wir sehen, wie zum Beispiel ein Teilnehmer eine Ausbildungsstelle als Sportkaufmann in einem Fitnessstudio bekommen hat oder wenn wir erfahren, dass manche Kurseilnehmer sich jetzt trauen, einen höheren Schulabschluss zu absolvieren.

Bildnachweis: SV Darmstadt 98

„Willkommen im Fußball“ ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, initiiert und gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und der DFL Stiftung. Mehr Informationen zu „Willkommen im Fußball“ findet ihr hier.