2007 verzeichnete der Berliner Randbezirk Spandau eine signifikante Anzahl an jugendlichen Straftaten. Für Jugendsozialarbeiter Ismail Öner war dies der Auslöser, aktiv zu werden und sich noch stärker und innovativer zu engagieren. Er rief das kostenlose Sportangebot „MitternachtsSport“ ins Leben, das Jugendlichen in den Nachtstunden der Wochenenden eine sinnvolle Beschäftigung bietet.
Fußball statt Straße – so könnte man sein ursprüngliches Konzept auf den Punkt bringen. Ismail Öner und sein Team haben diesen Ansatz seither stetig weiterentwickelt und ausgebaut. Heute sind zwei Jugendcafés in Berlin-Spandau bzw. -Haselhorst erste Anlaufstellen für die Jugendlichen des Bezirks. Das Spektrum des MitternachtsSport e.V. reicht inzwischen von der Hausaufgaben- und Lernhilfe über Bewerbungstraining bis hin zu Ferien- und Freizeitangeboten und noch viel mehr. Natürlich wird auch weiterhin nachts Fußball gespielt – jeden Freitag und Samstag von 21:00 Uhr bis 03:00 Uhr. Beim Aufbau des Programms hat die DFL Stiftung maßgeblich mitgeholfen – seit zehn Jahren fördert sie das Angebot.
Auch Jordan Torunarigha von Hertha BSC unterstützt das Projekt als sogenannter „Großer Bruder“ und Identifikationsfigur für die jugendlichen Teilnehmer. Im Rahmen unserer Interview-Reihe „Nachgefragt“ sprechen wir mit ihm und Ismail Öner über den MitternachtsSport e.V. in Zeiten des Corona-Virus, über Erfahrungen mit Rassismus und die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen.
„Ich habe mir geschworen, dass ich etwas zurückgeben werde, wenn ich es einmal zum Profifußballer schaffe.“ (Jordan Torunarigha)
Ismail, der MitternachtsSport e.V. wurde in den vergangenen Jahren mehrfach für seine soziale und integrative Arbeit ausgezeichnet. Was ist das Besondere an Eurem Angebot?
Jedes Angebot für Kinder, Jugendliche und die Schwachen der Gesellschaft ist etwas Besonderes. Unsere Intention ist es, jungen Menschen – mit dem Fußball als pädagogischem Instrument – wichtige Werte des Zusammenlebens zu vermitteln. Beim MitternachtsSport e.V. gehen Fußball und intensive sozialpädagogische Betreuung Hand in Hand. Erfolgreiche Integrations- und Präventionsarbeit braucht viele Anlegestellen. Wir bieten jedem, der zu uns kommt, ein individuelles Netzwerk aus relevanten Institutionen und Personen seines Umfelds. Unser Programm geht daher weit über den Fußball hinaus.
Ismail, welche eigenen Erfahrungen hast Du eingebracht?
Ich bin in einem Berliner Kiez aufgewachsen, den heute viele Soziologen ‚sozialen Brennpunkt‘ nennen würden. Das Umfeld war rau, die Nestwärme, die meine sechs Geschwister und ich genossen haben, war dafür umso größer. Neben Familie und Freunden gab mir der Sport Halt. Es gibt kein besseres Mittel als den Fußball, um jungen Menschen Werte und Kompetenzen vorzuleben und zu vermitteln. Gespräche mit Sozialarbeitern aus den Pariser Banlieues nach der Jugendrevolte 2005 bestärkten mich in dieser Einschätzung und brachten mich auf eine Idee: Ein mitternächtliches Sportangebot als Präventionsmaßnahme. Schon kurz nach dem Start der ersten Veranstaltungen gingen die Konflikte zwischen den Jugendlichen und der Polizei in Berlin-Spandau zurück. Die Kriminalität nahm ab.
Vereinsgründer Ismail Öner und die Kinder sind stolz auf ihren „Großen Bruder“ Jordan Torunarigha.
Jordan, was verbindet Dich mit Ismail? Wie habt Ihr Euch kennengelernt?
Er ist wie ein großer Bruder, manchmal auch wie ein zweiter Papa für mich, aber wenn ich das sage, fühlt er sich alt (lacht). Wir haben beide unsere Jugend in Haselhorst in Berlin-Spandau verbracht und dort sogar dieselbe Grundschule besucht. Als Jugendlicher habe ich viel vom MitternachtsSport gehört, konnte aber leider wegen meiner Spiele in der Jugend von Hertha BSC nie teilnehmen. Viele meiner Freunde aber schon. Der Zufall führte Issi abi (Anm. d. Red.: „abi“ ist ein Begriff aus dem Türkischen und bedeutet „großer Bruder“) und mich letztlich doch noch zusammen. Seine Tante und seine Cousins wohnen ein Stockwerk unter mir und erzählten ihm von mir. Als wir uns zum ersten Mal trafen, hat die Chemie sofort gestimmt. Ich schätze sein großes Herz und sein Wissen über den Fußball hinaus. Er ist für mich ein wichtiger Ratgeber in allen Belangen, dessen Meinung mir viel bedeutet und ich weiß, dass ich mich immer auf ihn verlassen kann.