Baraa hat in seinem Leben schon viel erlebt. Im Rahmen von „Willkommen im Fußball“ trainiert er nun junge Erwachsene aus Gambia, dem Irak und Syrien.
Baraa ist keiner, der mit seinem Leid hausieren geht. Dabei reicht das, was der Syrer an Angst, Verzweiflung und Gewalt erfahren hat, für drei Leben. Seine Fluchtgeschichte erzählt man am besten gerafft. In Syrien war der heute 26-jährige Baraa eineinhalb Jahre lang Mitglied der Armee von Assad. Zuerst sechs Monate in Damaskus, dann in Aleppo. In einem Gefängnis bewachte er 100 Inhaftierte der freien Armee, der Opposition also. In dem Gefängnis wurde gefoltert, getötet. Daran beteiligt war er nicht, sagt er. Er hatte keinen Kontakt zu Gefangenen.
Bei einem Überfall wurde er weggebracht. Doch er hatte Glück, die Soldaten waren freundlich, beruhigten ihn und gaben ihm Datteln mit Milch zu essen. Sie wollten über ihn bloß an Informationen kommen. Baraa erzählte jedoch nur von sich selbst. „Ich hatte Angst, falsche Informationen zu geben, und deshalb möglicherweise für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein.“ Die freie Armee versuchte, ihn abzuwerben. Er weigerte sich. „Ich kämpfe nicht für und nicht gegen sie“, sagt er. „Ich töte niemanden.“ Wer so denkt, muss Syrien verlassen. Er ließ sich also weder der Assad-Armee noch der freien Armee zuordnen, weshalb sein Leben in Syrien in Gefahr gewesen wäre. Die Polizei in Aleppo geht davon aus, dass er beim Kampf um das Gefängnis getötet wurde, wie viele Insassen. In seiner Heimat wissen nur seine Eltern und fünf Brüder, dass er noch lebt.
Baraa schaffte es nach Istanbul, wo er drei Jahre täglich zwölf Stunden in einer Textilfirma als Schneider arbeitete. Wer dort keine Papiere hat, erhält nur den Drittel des Lohnes. Er versuchte, nach Sofia zu gelangen, um an Dokumente zu kommen. Einem Schleuser gab er 1.000 Dollar. Er scheiterte an der Grenze. Eine Woche war er dafür im Gefängnis. Mittellos kehrte er, teilweise zu Fuß, hunderte Kilometer nach Istanbul zurück, doch das Ziel Westeuropa blieb. Ein Freund arbeitete am Hafen von Izmir, im Westen der Türkei. Von dort setze er vier Monate später mit einem Boot und 40 Personen auf die griechische Insel Khios über. Von dort schlug es sich nach Athen durch. Dann zu Fuß, mit dem Bus oder dem Zug über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich. Er schlief oft auf der Straße. Schließlich Deutschland. Zuerst Leipzig, im November 2015 stand er dann am Nürnberger Hauptbahnhof. Derzeit lebt er in einer Nürnberger- Flüchtlingsunterkunft. Wenn er von seiner Flucht über die Balkanroute nach Deutschland erzählt, lächelt er sogar manchmal. Vielleicht will er all das Schreckliche maskieren.
Seine Zukunft ist ungewiss. Im Moment lebt er von 900 Euro im Monat. Ein neutraler Soldatenpass gewährt ihm Aufenthaltsgarantie in Deutschland. Baraa besitzt einen Schutzstatus. Im Februar erhielt er erst einmal eine dreijährige Aufenthaltsgenehmigung. Doch wenn der Krieg in Syrien vorbei ist, muss er zurück.