24.10.2017

„Würde das Fußballtraining einen Monat lang ausfallen, würde unsere Teilnehmerzahl sicher einbrechen.“

Interview mit Janine Leifert von Bielefeld United e.V. über das Programm „Spielmacher“, dass ein wöchentliches Fußballtraining mit Sprachkursen und weiteren pädagogischen Inhalten kombiniert. 

Ihr habt im August 2016 das Jahresprogramm „Spielmacher“ gestartet. Wer nimmt an Eurem Programm teil?

Unsere Teilnehmenden sind eine bunt gemischte Gruppe: Es sind 20 junge Männer zwischen 18 und 21 Jahren. Sie kommen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Nigeria und Mali. Ihre Sprachkenntnisse sind sehr unterschiedlich, viele sprechen schon sehr gut Deutsch, manche tun sich noch schwer mit der Sprache.

Frauen haben wir derzeit leider noch keine im Team. Wir vermuten, dass es daran liegt, dass wir zurzeit noch kein getrenntes Fußballtraining anbieten können und auch keine Trainerinnen haben.

 

Woher wissen die Teilnehmer von „Spielmacher“?

Wir kooperieren mit „Angekommen in deiner Stadt“. „Angekommen“ spricht Jugendliche in internationalen Klassen an und zeigt ihnen auch Freizeitmöglichkeiten in ihrer neuen Stadt. Darüber haben die meisten Teilnehmer zu uns gefunden.

 

Wie mussten die Jugendlichen ihr Interesse bekunden, um dabei zu sein?

Wir haben einen Probemonat gemacht – mit wöchentlichem Training und Sprachkurs und einem Besuch in der Stadionschule. Danach haben wir uns mit allen Teilnehmern hingesetzt und haben ausgewertet: Wie hat es dem Teilnehmer gefallen? War der Teilnehmer regelmäßig da?

Die, bei denen es für beide Seiten gepasst hat, haben dann Schuhe und ein Trikot bekommen und eine Mappe, in der wir ihre persönlichen und beruflichen Ziele festgehalten haben – was wollen sie im Spielmacherjahr erreichen? Etwa alle sechs Wochen führt jemand aus unserem Team ein Gespräch mit jedem Teilnehmer und fragt nach, wie es läuft.

 

Welche Ziele setzen sich die Teilnehmer zum Beispiel?

Die Ziele der Teilnehmer sind ganz unterschiedlich. Im Fokus steht bei allen, dass sie eine fundierte Berufsausbildung haben möchten. Für einige steht der Schulabschluss noch im Mittelpunkt, andere wissen schon, dass sie zunächst eine Ausbildung machen möchten und danach noch studieren wollen.

Natürlich haben wir auch Teilnehmer, die ihre Ziele gar nicht oder nur schwer formulieren können. Hier versuchen wir dann ganz konkrete Perspektiven in der nahen Zukunft zu finden.

 

Welche Rolle spielt das Fußballtraining bei Spielmacher?

Fußball spielt eine sehr große Rolle, ohne Fußballtraining würde Spielmacher nicht funktionieren. Wenn wir etwas anderes machen, fragen die Teilnehmer immer, ob wir danach nicht noch spielen können. Das Kicken schweißt zusammen, sie fühlen sich als Team. Und übernehmen auch Verantwortung. Mittlerweile gibt es eine Spielmacher-WhatsApp-Gruppe, die Jungs verabreden sich auch ohne uns, z.B. sonntags zum Kicken.

 

Mit wem arbeitet Ihr für Spielmacher zusammen? Was übernehmen die Bündnispartner?

Das Wichtigste decken wir in unserem Bündnis ab: Bielefeld United kümmert sich um die soziale Seite, stellt die Trainer und hat den meisten Kontakt zu den Teilnehmenden. Das Fanprojekt bringt über die Stadionschule die Berufsberatung ein. Und Arminia hat sein Netzwerk für das Bündnis genutzt und Sponsoren angesprochen, die unseren Teilnehmern Praktika und Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Außerdem können wir ihre Räumlichkeiten nutzen und Arminia bringt einfach den Fußballbezug, der für die Motivation der Teilnehmer so wichtig ist.

 

Und welche externen Partner habt Ihr?

Wir arbeiten z.B. mit dem Handwerkerbildungszentrum zusammen, gerade dieser Berufsbereich ist für viele Teilnehmer interessant. Und der Stadtsportbund und die AWO sind Partner, dort haben einige unserer Teilnehmer die Ausbildung zum Übungsleiter bzw. die Juleica gemacht. Zu den externen Partnern gehören ebenso die theaterpädagogischen Fachkräfte, die es den Teilnehmern ermöglichen, sich einmal von einer ganz anderen Seite kennenzulernen sowie die Agentur für Arbeit, die einfach Profis im Bereich der Berufsberatung und der Möglichkeiten der Ausbildungsunterstützung sind. Diese Partner bereichern auch das Bündnis.

Finanziell unterstützt uns die Stadt Bielefeld noch zusätzlich aus dem Bielefelder Sozialfond.

 

Welchen Herausforderungen seid Ihr bisher begegnet?

Wir müssen den Teilnehmern immer wieder klarmachen, dass sie beruflich weiterkommen sollen. Es ist so: Würde das Fußballtraining einen Monat lang ausfallen, würde unsere Teilnehmerzahl sicher einbrechen. Beim Sprachkurs oder der Stadionschule wäre das wahrscheinlich nicht so schnell der Fall. Aber es ist nicht so, dass die Teilnehmenden nicht motiviert sind. Fast alle haben in ihren Heimatländern schon gearbeitet und sind richtig genervt davon nichts machen zu können.

Eine andere Herausforderung ist es, Bielefelderinnen und Bielefelder ohne Fluchthintergrund auch für Spielmacher zu gewinnen. Ich denke, wer hier aufwächst und mit 20 Jahren noch gar keine Idee hat, was er aus seinem Leben machen könnte, bräuchte eine intensivere Begleitung, als wir es leisten können. Bei uns kommen zehn Teilnehmer auf eine Betreuerin bzw. einen Betreuer.

 

Was empfehlt Ihr anderen Bündnissen, die mitbekommen, dass sich ihre Spielerinnen und Spieler mit der Frage beschäftigen: Was kommt nach der Schule?

Wichtig finde ich, dass die jungen Leute die Agentur für Arbeit kennenlernen – und zwar nicht negativ, als eine träge Behörde, sondern als eine Stelle für gute Beratung. Hier in Bielefeld jedenfalls hat die Agentur für Arbeit sehr viele Möglichkeiten und gute Angebote für die Zielgruppe junge Geflüchtete. Wir haben gerade über die Agentur für Arbeit mitbekommen, dass jetzt auch berufsbezogene Sprachkurse für Geflüchtete aus Afghanistan geöffnet sind, ein paar Teilnehmer von uns besuchen die nun.

Außerdem sind in der Regel die Lernzentren von Lernort Stadion e.V. super auf diese Zielgruppe eingerichtet und haben enorm große Netzwerke und sehr viel Fachwissen.

Es macht bestimmt immer Sinn mit den Akteuren, die es sowieso schon im Bereich der Berufsberatung gibt, zu sprechen und Schnittmengen auszupendeln.

 

Das Jahresprogramm „Spielmacher“

„Spielmacher“ verbindet ein wöchentliches Fußballtraining mit einem Sprachkurs und Aktivitäten, wie Besuchen der Stadionschule, wo verschiedene Berufsbilder vorgestellt werden. Über ein Jahr bilden sich die Teilnehmenden in Kursen, wie z.B. Workshops mit theaterpädagogischen Fachkräften zum Thema „Wie wirke ich auf andere?“, durch Schnuppertage in Unternehmen und Praktika, fort. Das 8-köpfige Team von Bielefeld United bespricht mit allen Teilnehmenden regelmäßig welche persönlichen und beruflichen Ziele sie sich setzen wollen und wie sie sich diesen Zielen nähern können. Das Jahr bereitet auf eine Ausbildung oder andere Weiterbildungen vor. Das Bündnis kooperiert dafür zurzeit mit 45 Unternehmen.