02.07.2019
02.07.2019
Zwei Jahre lebten Saleh und seine Familie in der Unterkunft. Eng sei das gewesen, erinnert er sich, und sehr langweilig. „Anfangs durften wir nicht zur Schule gehen.“ In just diese Zeit fiel der Startschuss von „Willkommen im Fußball“ bei dem Mainzer Amateurverein FC Ente Bagdad, Saleh und die Brüder waren im ersten Team. „Fußball war wichtig“, erzählt er in der nach Schweiß riechenden Umkleide in Mainz-Bretzenheim, wo die Enten spielen. Er habe in der Mannschaft rasch Freunde gefunden. „Wir hatten mehr Freiheiten als in der Schule.“
Auch das Thema Sprache war kein Problem, nicht nur, weil viele Spieler im gemischten Team aus vor allem Syrien, Albanien und Afghanistan ein paar Brocken arabisch sprachen, sondern, weil sie zugleich alle Anfänger mit der deutschen Sprache waren und keinerlei Hemmungen hatten voreinander, sich damit auszuprobieren. Ihr Trainer, der aus Algerien stammende Mustapha Smail, fungierte einerseits als Übersetzer und hielt seine Jungs andererseits dazu an, so viel Deutsch zu sprechen wie möglich. „In der Schule hatten wir nur drei, vier Stunden Deutsch“, erinnert sich Saleh und sagt: „Ich habe die Sprache auf dem Fußballplatz gelernt.“
Und dass, obwohl er in Syrien zuvor nie gegen den Ball gekickt hatte, sondern der Fußball in Deutschland zunächst vor allem ein Mittel war, um Anschluss zu finden. Vieles davon ergab sich dann fast organisch über die Kontakte der Enten. Zunächst macht er ein Praktikum bei Mainz 05, wo ihn das Thema „Corporate Social Responsibility“ faszinierte. Prägender noch waren die Wochen beim Landessportbund, für den er seither als Freiwilliger arbeitet. „Ich habe gern mit Kindern zu tun und will das auch später in meiner Freizeit machen, wenn ich einen Job habe“, erzählt Saleh von seinen Wünschen.
Welche Ausbildung er machen möchte, das hat er für sich bei einem Berufsvorbereitungskurs gelernt. Der sei, gesteht der Teenager, „ein bisschen anstrengend“. Er lacht, denn er möchte niemanden mit seiner Aussage beleidigen. „Aber ich weiß jetzt, was ich machen möchte, das ist gut.“ Kaufmann für Büromanagement, so lautet sein Traumberuf. Vor der Ausbildung freilich steht der Schulabschluss. „Da kann ich jetzt viel lernen“ lächelt Saleh und deutet auf seine Verletzung. Die hat ihm in der Notaufnahme die Begegnung mit einem 05-Spieler beschert: Karim Onisiwo, der beim Spiel der 05er gegen Leipzig mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus kam, just, als Saleh dort auf den Arzt wartete.
Die Profi-Kicker bewundert er und genießt es, mit den Enten zu Spielen der Mainzer zu gehen. Sein Lieblingsspieler? Niko Bungert, der seine Schuhe als Kapitän an den Nagel hängte. Er hat sich immer für die Kicker bei „Willkommen im Fußball“ engagiert und das nehmen sie natürlich wahr. „Er ist ein sehr netter Mensch“, betont Saleh und seine Augen leuchten.
Die Sommerpause der Mainzer kommt also gerade recht, damit der 17-Jährige sich auf seinen Schulabschluss und die Ausbildung zum Trainer konzentrieren kann. Dazu die Einheiten mit dem FC Ente Bagdad, Verantwortung für seine Familie, die Arbeit beim Landessportbund – klingt nach einem vollen Zeitplan. Saleh nickt. „Aber es macht Spaß.“ Und mit wem redet er, wenn es ihm zu viel wird? „Michael Kuhn“, nennt er ohne Zögern den Namen seines Trainers. „Er kann Probleme lösen.“ Ein Thema, in dem er, Saleh, inzwischen aber selbst sehr gut ist, oder nicht? Er überlegt, lächelt, nickt. „Ja, ich denke schon.“
Mehr zur Beitragsserie über Saleh und zu „Willkommen im Fußball“ erfahrt ihr hier.
Autorin: Mara Pfeiffer
Bildnachweis: DKJS/Clemens Hess