20.10.2015

„Wie kann Inklusion im Sport gelingen?“

Zu dieser Frage kamen am Freitag, 16.10.2015, Prof. Dr. Heike Tiemann, Dr. Gerwin-L. Reinink, Stefan Plötz und Stefan Kiefer im „Kulturstadion“ der LitCam auf der Frankfurter Buchmesse zusammen. Inklusion, da waren sich alle einig, ist vor allem ein Prozess – sie kann nicht verordnet, sondern muss gelebt werden.

Heilerzieher Stefan Plötz stellte sich bei seiner Arbeit eine ganz praktische Frage: Wo können Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung professionell Fußball spielen? Da weder er noch sein Kollege Ben Rückerl eine befriedigende Antwort darauf fanden, gründeten sie erst einen Verein, dann eine ganze Liga: die Bananenflankenliga. Ausgebildete Fußballtrainer arbeiten Hand in Hand mit pädagogischen Fachkräften – eine Kombination, die gut funktioniert und sich nicht hinter Einrichtungsmauern versteckt. Bundespräsident Joachim Gauck hat das Projekt in diesem Jahr mit dem „Großen Stern des Sports“ in Gold ausgezeichnet.

Die Bundesliga-Stiftung hat dem Thema Inklusion eine von vier Projektsäulen gewidmet, deren Pate seit diesem Jahr Profisportler und Paralympicsieger Markus Rehm ist. „Bei dem Thema merken wir: Es geht immer wieder um den Perspektivwechsel und das Verschieben der eigenen Wände im Kopf“, so Stefan Kiefer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung. Um möglichst viele Menschen zu bewegen, nutzt die Stiftung den Fußball als Plattform. Zuletzt stand ein Heimspiel des SV Werder Bremen ganz im Zeichen von Inklusion. Eine weitere Ebene ist das passive Sporterlebnis: „Der Stadionbesuch soll für alle Menschen ein Erlebnis sein“, so Kiefer. „Daher fördern wir z.B. das Kompetenzzentrum für Blinden- und Sehbehindertenreportage.“

Dass Inklusion gerade so viel diskutiert wird, freut Wissenschaftlerin Prof. Heike Tiemann, die sich seit über 20 Jahren mit dem gemeinsamen Lernen beschäftigt: „Die Projekte sind ein wunderbarer Startpunkt – doch bei Projekten allein kann es nicht bleiben“, so Tiemann. Sie erinnert daran, dass Deutschland in der Tradition der separierten Schulformen steht und beim gemeinsamen Lernen einen der letzten Plätze in Europa einnimmt. „Die Lehrerausbildung ist noch nicht gut aufgestellt; langjährige Lehrkräfte fühlen sich oft nicht vorbereitet für die neuen Klassenstrukturen. Wir haben einen großen Fortbildungsbedarf, auch bei Übungsleitern im organisierten Sport.“ Gleichzeitig betont sie: „Es geht weniger um die Vermittlung von Sonderwissen, sondern um eine bestimmte Haltung.“

Inklusion als Prozess zu verstehen, der am Laufen gehalten werden muss, für den es Bereitschaft braucht, hält auch Dr. Gerwin-L. Reinink, Ministerium für Schule und Weiterbildung (NRW), für den richtigen Ansatz. Gerade arbeitet er in einer AG an Handlungsempfehlungen für den Schulsport. Trotz aller Verschiedenheit im föderalistischen System lohnt es sich aus seiner Sicht, „Dachmarken zu setzen, und das so konkret wie möglich. Dahinter kann dann keiner mehr zurück.“