20.06.2017

„Nicht alle, die ein Training anleiten, müssen perfekt deutsch sprechen“

Der Berliner Fußball-Verband (BFV) hat 2017 im Rahmen des Projekts „FUSSBALL GRENZENLOS“ zwei Einstiegslehrgänge für junge Geflüchtete organisiert. Die Lehrgänge wurden jedoch nicht lizensiert.

Im Dialog blicken Karlos El-Khatib, Leiter von „FUSSBALL GRENZENLOS“ und Sofie Goetze, Projektleiterin und Trainerin bei CHoG, auf ihre Erfahrungen zurück.

Warum wurde der Vorbereitungsworkshop von CHoG in Kombination mit dem Einstiegslehrgang des BFVs nicht als ein Baustein auf dem Weg zur C-Lizenz anerkannt?

Karlos El-Khatib: Weil wir Nachweise, wie das polizeiliche Führungszeugnis und viele weitere Unterlagen, benötigt hätten, die Voraussetzung für die Lizenzierung sind. Damit hätten wir von vornherein viele Menschen ausgeschlossen. Deshalb haben wir einen anderen Weg gewählt: Wir machen einen Lehrgang für alle Interessierten und gucken dabei, wer darunter für einen Grundlehrgang geeignet ist. Es bringt niemandem etwas, einen Grundlehrgang zu absolvieren, aber danach nicht in der Lage zu sein, eine C-Lizenz zu machen.

Sofie Goetze: Wir wollen auch so viele Personen wie möglich erreichen. Vielen muss man erst erklären: Wie ist das Lizenzsystem aufgebaut? Wie funktioniert das Vereinssystem? Bei den Teilnehmenden unserer eigenen Workshops merken wir, dass nicht alle automatisch danach in einem Verein weitermachen. Es geht zu Beginn auch darum, das System zu verstehen und kennenzulernen. Erst mit der Zeit kann die Person sich dann überlegen, ob sie Lust darauf hat und sich daran ausprobieren will.

KE: Sicherlich gibt es dann Wiederholungen zwischen dem Einstiegslehrgang und dem Grundlehrgang. Das lässt sich nicht wirklich vermeiden, aber es ist vielleicht nicht schlecht, wichtige Sachen noch einmal zu hören. Im Grundlehrgang ist dadurch auch eine aktive Teilnahme möglich, weil Inhalte bereits gehört und verarbeitet wurden. Umso höher ist die Qualität am Ende.

SG: Ich sehe in der Doppelung der Inhalte auch kein Problem. Eine Vorbereitung auf den Grundlehrgang ist notwendig, um Abbruchquoten zu verringern. In der Zwischenzeit kann die Person auch Erfahrungen mit unserem Vereinssystem sammeln.

 

Gesonderte Lehrgänge für Geflüchtete oder reguläre Lehrgänge mit Sprachmittlung? Welcher ist der bessere Weg?

SG: Zweigleisig fahren erscheint mir sinnvoll. Es sollte weiterhin Vorbereitungsworkshops geben, um erstmals die Basics zu vermitteln. Danach sollten aber die Inhalte der anerkannten Lehrgänge auf jeden Fall die gleichen sein, wie für alle anderen Trainerinnen und Trainer. Der Einsatz von Sprachmittlung ist nach meiner Erfahrung erforderlich und wünschenswert. Nicht alle, die ein Training anleiten, müssen perfekt deutsch sprechen, aber es muss allen ermöglicht werden, die Lehrgangsinhalte wirklich mitzunehmen.

 

Übernehmen die Absolventinnen und Absolventen des Lehrgangs eigene Trainingsgruppen in ihren Heimatvereinen?

SG: Wir haben beides bereits erlebt. Manche übernehmen Verantwortung in Vereinen, andere nicht. Wenn es keine anschließende Betreuung gibt, kann der Faden ganz schnell abreißen. Es muss eine richtige Kommunikation mit den Trainerinnen und Trainern entstehen, die schon länger in den Vereinen aktiv sind. Da ist meiner Meinung nach keine Aufgabe des Verbands, sondern der Amateurvereine und der sozialen Organisationen.

KE: Da wir als Verband keine umfangreiche Nachbetreuung anbieten können, sind wir tatsächlich auf unsere Vereine angewiesen. Zwei junge Teilnehmende vom ersten Einstiegslehrgang wurden nun für den DFB-Junior-Coach angemeldet. Da ist eben der Amateurverein besonders hinterher und sorgt dafür, dass die beiden im Verein Verantwortung übernehmen und Trainingseinheiten leiten. Zwei weitere Teilnehmende trainieren nun selbst geflüchtete Kinder im Rahmen unseres Projekts „FUSSBALL GRENZENLOS“ und sind somit Teil unseres Teams geworden.

 

Würden Sie anderen Verbänden ihr Kooperationsmodell bestehend aus Verband und sozialer Organisation empfehlen?

KE: Ich würde es jedem Verband empfehlen. Es ist extrem wichtig, da man sonst einen gewissen Tunnelblick entwickelt. Wir als Verband brauchen die konkrete Expertise von Organisationen, die nicht unbedingt ein Teil des organisierten Fußballs, jedoch nah an den Menschen sind, für die man Angebote schaffen möchte. Sonst besteht auch die Gefahr, dass sich Parallelangebote entwickeln.

SG: Dem schließe ich mich an. Wir sehen unsere Angebote nicht als Konkurrenz zum Verband, sondern können sie sehr gut in Kooperation durchführen.

 

Wie geht es nach den Einstiegslehrgängen weiter?

KE: Die Qualifizierung geht weiter. Ein Grundlehrgang mit Teilnehmenden der beiden Einstiegslehrgänge ist geplant. Es wird ein ganz regulärer Grundlehrgang mit anerkannten Lerneinheiten für die C-Lizenz sein, allerdings auf vier anstatt drei Tage verteilt, um eine umfangreiche Nachbereitung zu ermöglichen.