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Marius Künzel und Johannes Böin moderieren Workshops Marius Künzel und Johannes Böing sind Koordinatoren der Lernort Stadion-Standorte in Mönchengladbach und Dortmund. Zu den Kommunalwahlen in NRW haben sie besondere Veranstaltungsformate für junge Menschen geschaffen, um ihnen politische Prozesse näherzubringen. Foto: DFL Stiftung/ Witters

12.09.2025

Demokratiebildung im Stadion: Zwei Veranstaltungen, ein Ziel

Wie können Fußballstadien zu Orten der Demokratiebildung werden? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Arbeit von Marius Künzel (Bildungspark Mönchengladbach) und Johannes Böing (BVB-Lernzentrum), den Koordinatoren des Projekts „Lernort Stadion“ in Mönchengladbach und Dortmund. Anlässlich der Kommunalwahlen in NRW haben sie innovative Veranstaltungsformate entwickelt, um Jugendlichen demokratische Prozesse näherzubringen. Im Interview berichten sie davon, welche Ideen dahinterstecken und wie Fußball und politische Bildung miteinander verknüpft werden können, um junge Menschen für gesellschaftliche Themen zu sensibilisieren.

Marius, was ist die Idee hinter der Podiumsdiskussion und dem intergenerativen Dialog?

Marius Künzel: „Die zentrale Idee besteht darin, einen Raum für Begegnung und Austausch zwischen jüngeren und älteren Generationen zu schaffen. In vielen gesellschaftlichen Strukturen findet dieser Dialog kaum statt – sei es aus Zeitmangel, fehlenden Formaten oder mangelnder Sichtbarkeit. Genau hier setzt das Projekt an: Es hat Brücken gebaut zwischen den Generationen und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich gegenseitig zuzuhören, voneinander zu lernen und gemeinsam über gesellschaftliche Themen zu diskutieren. Die Podiumsdiskussion bildet den Abschluss einer Reihe von vorbereitenden Workshops und Veranstaltungen, in denen Jugendliche ihre Anliegen formuliert haben. Das Hauptziel ist es, politische Teilhabe und Meinungsbildung niedrigschwellig zu ermöglichen. Junge Menschen sollen ermutigt werden, ihre Perspektiven einzubringen, Fragen zu stellen und sich aktiv mit kommunalpolitischen Themen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig erhalten ältere Generationen die Gelegenheit, ihre Erfahrungen zu teilen und in den Dialog zu treten.“

Johannes, was steckt hinter der Veranstaltung „Erste Wahl – Politik im schönsten Stadion der Welt“? 

Johannes Böing: „Die Organisatoren – das BVB-Lernzentrum, die BVB Fan- und Förderabteilung, und die BVB-Fanbeauftragten – wollten jungen Erstwählerinnen bei ihrer Wahlentscheidung helfen. Mit Workshops und einem „Polit-Game“, bei den Jugendorganisationen demokratischer Parteien methodisch abwechslungsreich ihre Positionen darstellten, schufen sie im BVB-Lernzentrum einen informativen Tag, der die Teilnehmerinnen zwischen 16 und 22 Jahren für politische Themen sensibilisieren sollte. Das Programm, darunter Workshops zu Fake News, Diskriminierung und Erinnerungskultur, zielte darauf ab, ihnen das nötige Rüstzeug für eine bewusste Wahlentscheidung mitzugeben.“

Fotos: DFL Stiftung/ Witters; BVB-Lernzentrum

Wie hängen die Veranstaltungen mit dem Programm „Lernort Stadion“ zusammen? Welche Rolle spielt die Atmosphäre des Stadions?

Marius Künzel: „Die Veranstaltung ist eng mit unserem Bildungsprogramm „Lernort Stadion“ verknüpft, das politische Bildung in einem für Jugendliche besonders attraktiven Umfeld ermöglicht: dem Fußballstadion. Im BORUSSIA-PARK wird Demokratiebildung greifbar: Hier können junge Menschen erleben, dass politische Teilhabe nicht abstrakt, sondern konkret und relevant für ihr eigenes Leben ist. Das Stadion als Ausgangspunkt für neue Lernerfahrungen zu benutzen, begeistert uns jedes Mal aufs Neue. Das Projekt „Lernort Stadion“ nutzt diese Wirkung gezielt, um Jugendliche für gesellschaftliche Themen zu sensibilisieren, sie zur Mitgestaltung zu ermutigen und ihnen zu zeigen, dass ihre Stimme zählt – auf dem Platz genauso wie in der Politik.“

Johannes Böing: „Grundsätzlich hat sich die Idee von Lernort Stadion am Standort Dortmund in den letzten Jahren verstetigt und basiert auf verschiedenen Projekten, die über die alltägliche Workshoparbeit hinausgehen. So kamen viele der Teilnehmer*innen von Kooperationsschulen des Lernzentrums und waren bereits in Projekte involviert. Zudem waren die beiden jugendlichen Moderatoren, die durch die Veranstaltung führten, in ihrer Aufgabe geübt, weil sie dies z.B. schon bei der 20-Jahr Feier des BVB-Lernzentrums umsetzen und üben konnten. Ein Stadion ist keine sterile Schulklasse, sondern ein lebendiger Ort, der Geschichte, soziale Vielfalt und Emotionen atmet. Dieser authentische Hintergrund macht die Bildungsinhalte greifbarer und realer. Im Stadion lassen sich demokratische Prozesse und Probleme direkt aufzeigen. Die Wirkung von Verein und Stadion am Standort Dortmund ist dabei eine ganz besondere, da die Strahlkraft des BVB nicht nur bei der großen Fangemeinde, sondern auch in der Jugendkultur Dortmunds und der Stadtgesellschaft allgemein enorm ist.“

Welche Rolle spielen die politischen Vertreter bei den Veranstaltungen?

Marius Künzel: „Die Oberbürgermeisterkandidaten übernehmen eine zentrale Rolle in der Veranstaltung: Sie stellen sich den Fragen und Anliegen der Jugendlichen und Senior*innen. Damit wird ein direkter Dialog zwischen jungen Menschen und politischen Entscheidungsträger*innen ermöglicht – ein Format, das Transparenz schafft und politische Prozesse greifbar macht. Die Kandidat*innen erhalten die Gelegenheit, ihre Positionen zu aktuellen kommunalpolitischen Themen darzulegen. Gleichzeitig erleben die Teilnehmenden, dass ihre Stimme zählt und dass ihre Fragen ernst genommen werden. Diese Form der Begegnung stärkt das Vertrauen in demokratische Strukturen und fördert das Verständnis für politische Verantwortung.“

Johannes Böing: „Die Jugendorganisationen von Jusos, Julis, Grüner Jugend, Junger Union und der Linksjugend spielten eine zentrale Rolle im zweiten Teil der Veranstaltung. Sie traten nicht nur mit eigenen Infoständen in den direkten Austausch mit den Teilnehmern, sondern stellten sich auch auf der Bühne den Fragen der jungen Erwachsenen. Dabei gaben die Vertreter*innen der Jugendorganisationen den teilnehmenden Jugendlichen eine authentische und direkte Gelegenheit, sich über die Positionen der einzelnen Parteien zu informieren. In einem „Polit-Game“ beantworteten sie Fragen, die per Glücksrad den Kategorien Jugendbeteiligung, Mobilität, Dortmund der Zukunft sowie Jobs und Ausbildung zugeordnet wurden. Durch dieses interaktive Format und die Möglichkeit, Fragen digital einzureichen, konnten sich die jungen Erwachsenen umfassend über die politischen Ansichten und Unterschiede in den Programmen der Parteien informieren und so eine fundierte Wahlentscheidung treffen.“

Foto: Lernort Stadion

Warum ist es wichtig, besonders Jugendliche über Wahlen und die Demokratie aufzuklären?

Marius Künzel: „Wir erleben die bevorstehende Kommunalwahl in Mönchengladbach als einen besonderen Moment: Da Jugendliche ab 16 Jahren bereits wählen dürfen, bestehen dort oft Hemmnisse und Unwissen sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Demokratie lebt von Beteiligung. Doch Beteiligung setzt Wissen voraus: Wer versteht, wie politische Entscheidungen getroffen werden, welche Rolle Wahlen spielen – vor allem in der eigenen Stadt – und wie man sich selbst einbringen kann, ist eher bereit, aktiv teilzunehmen.“

Johannes Böing: „Im direkten Sinne führt die Aufklärung zur größeren politischen Teilhabe: Junge Menschen, die Wahlprogramme und die Bedeutung von Wahlen verstehen, sind eher motiviert, ihr Wahlrecht zu nutzen. Dies stärkt die Wahlbeteiligung und sorgt dafür, dass die Interessen junger Menschen in der Politik vertreten werden. Allgemein ist aber vor allem das Empowerment von Jugendlichen und die Entwicklung von Eigenverantwortung ein langfristiges Ziel: Durch die Veranstaltung konnten die Jugendlichen positive Rollenvorbilder persönlich kennenlernen. Sie lernten konkret und hautnah, wie sie die Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Sie erkannten, dass ihre Stimme zählt und sie nicht nur passive Empfänger von Entscheidungen sind. Dies fördert Engagement und Zivilcourage. Ebenso macht es Jugendliche widerstandsfähiger gegen populistische und extremistische Ideologien.“

Warum ist es wichtig, Demokratiebildung in einem Fußballkontext zu vermitteln?

Marius Künzel: „Der Fußballkontext bietet eine einzigartige Möglichkeit, politische Bildung in einem Umfeld zu vermitteln, das für viele Jugendliche mit positiven Emotionen und Gemeinschaftserlebnissen verbunden ist. Das Stadion ist mehr als nur ein Ort für Sport – es ist ein sozialer Raum, der Identifikation stiftet und Menschen zusammenbringt. Diese besondere Atmosphäre schafft einen idealen Rahmen, um demokratische Werte zu vermitteln und politische Themen auf eine lebensnahe Weise zu diskutieren.“

Johannes Böing: „Demokratiebildung am Lernort Stadion ist wichtig, weil sie eine breite und emotional engagierte Zielgruppe erreicht, die über traditionelle Bildungseinrichtungen hinausgeht. Fragen der Teilhabe, demokratischer Aushandlungsprozesse verschiedener Interessensgruppen oder auch des Umgangs mit Diskriminierung und Gewalt sind hier nicht nur theoretisch, sondern Teil des gelebten Fan-Alltags.“

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