17.12.2021
17.12.2021
Prof. Dr. Rolf Schwarz unterstützt die DFL Stiftung und die Deutsche Sportjugend bei der Entwicklung eines Rahmenkonzepts für bewegungsfreundliche Kitas in Trägerschaft von Sportvereinen. Im folgenden Beitrag ordnet der Professor des Instituts für Bewegungserziehung und Sport der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe die Relevanz von Bewegung auf die Entwicklung von Kindern ein.
„Bewegung ist ein biologisches Grundbedürfnis und für das Überleben des Menschen genauso wichtig wie die Luft zum Atmen, Licht, Schlaf, Ernährung, Behausung oder die emotionale Sicherheit spendende Bindung zu liebevollen Menschen. Ohne Bewegung kann der Mensch weder bestmöglich wachsen noch gedeihen, nicht körperlich und auch nicht psychisch-sozial.
Weil Bewegung ein fest verankerter Teil unseres biologischen Erbes ist, starten die meisten Kinder mit einer überlebensdienlichen Bewegungsgrundkompetenz, die durch anregende Interaktion mit der Umwelt ab bestimmten Phasen das Gehen, Rennen, Klettern, Greifen, Hüpfen oder Springen ermöglicht. Kinder werden von der Natur also mit einem motorischen Werkzeugkoffer ausgestattet, das uns zu einem besonders bewegten, weil neugierigen Wesen macht.
Die natürliche Bewegungskompetenz wird jedoch zunehmend durch negative kulturelle Einflüsse in ihrer Entwicklung erschwert. So verhindern die wachsende städtische Verbauung (hohe Siedlungsdichte), Zerschneidung durch Verkehrswege, der Einfluss digitaler Medien sowie steigende elterliche Sorgen und Ängste („Helikoptererziehung“) das Ausleben des Bewegungsbedürfnisses. Die natürlichen Draußenräume vor Ort werden demnach kleiner, dichter, sind weiter verstreut und erfahren zunehmend eine innerräumliche Verhäuslichung. Die Folge ist ein Qualitätsrückgang bei den motorischen Fähigkeiten sowie das vielfache Nicht-Erreichen gesundheitsförderlicher Bewegungsempfehlungen.
Deshalb ist es wichtig, so früh wie möglich zum einen die rahmenden Umweltbedingungen (die Verhältnisse) systematisch zu verbessern und zum anderen das individuelle Kind (das Verhalten) zu fördern.
Bewegung lässt sich erfreulicher Weise gezielt durch systematische Intervention unterstützen. Der positive soziokulturelle Einfluss von Eltern, Freunden oder pädagogischen Fachkräften mittels Bewegungserziehung die Bewegungsentwicklung auf ein höheres Niveau zu heben, ist die hinreichende Voraussetzung für kulturelle Sportspiele und Bewegungskünste.
Neben den sozialhistorisch erlernbaren Bewegungsformen aus dem Sport und anderen Bewegungsspielen kann darüber hinaus die Bewegung als zweckmäßiges Mittel die gesamte Entwicklung des Menschen voranbringen. Das können Bereiche sein wie z.B. soziales Lernen, emotionale Regulation (Selbstbeherrschung), Unterstützung geistiger Funktionen (Konzentration, Gedächtnis) oder des körperlichen Wachstums. Wie die Bildung dieser Anteile der Persönlichkeit in Kindertageseinrichtungen gelingen kann, zeigen die gezielte Gestaltung von Zeit und Raum, Material- und Spieleauswahl sowie der Aufbau bewegter sozialer Interaktionen im Rahmen wissenschaftlich belegter gestalterischer Prinzipien.
Die Kita des FC Augsburg ist eine solche frühkindliche Einrichtung, in der systematisch die natürliche Bewegungskompetenz des Kindes in Form von Bewegungsdiagnostik beobachtet, begutachtet und begleitet wird mit wissenschaftlich geeigneten Umweltbedingungen (Raumgestaltung, Materialauswahl, Bewegungsmöglichkeiten) sowie einer persönlichkeitsentwickelnden Bewegungserziehung. Gefördert wird bspw. das Klettern nicht nur, weil das Kind dann eine Technik beherrscht, sondern weil es sozial-emotional auch sich selber und sein Verhalten als Mensch beherrscht positive Gefühle des Selbstvertrauens gewinnt und mit anderen die Freude am Risiko teilen kann. Bewegung wird hier als Teil des Lebensalltags betrachtet, weshalb das Bewegungsverständnis beim FC Augsburg ein alltagsintegriertes ist: Bewegungskompetenz ist Teil der Lebenskompetenz.“